06.01.2007: Ein Berliner als Schweizer Meister?

Der Berliner Moritz Höft studiert derzeit in der Schweiz und hofft sich bei den Eidgenossen einen langjährigen Traum erfüllen zu können.

 

Er nennt sich selbst ein “Stehaufmännchen” und einen “Optimisten mit einem Hang zum Understatement.” Moritz Hoft mag in der vergangenen Sommersaison bei Deutschen Meisterschaften nicht ganz vorne zu finden gewesen sein – abschreiben sollte man den 26-jahrigen gebürtigen Bremer, der inzwischen für die LG Nord Berlin an den Start geht, jedoch nicht. In den letzten Jahren, so sagt er, sei nie alles perfekt gewesen. Zudem ist er seit 2002 durch sein Medizin-Studium an der Charite Berlin zeitlich noch weiter eingeschränkt.

 

Dennoch gelangen dem ehemaligen Mehrkämpfer, der über 800 Meter eine Bestzeit von 1:47,65 Minuten zu stehen hat, auch im Sommer 2006 einige bemerkenswerte Ergebnisse. Neben einer Bronzemedaille bei den Deutschen Meisterschaften über 3x1000 Meter gab es einen zweiten Platz in Zeulenroda sowie Rang 4 in Dessau. Bei der Domspitzmilch-Gala in Regensburg konnte er am 17. Juni seine Saisonbestleistung auf 1:48,34 Minuten verbessern. In zahlreichen anderen Rennen profilierte er sich als erfolgreicher Tempomacher für seine Trainingskollegen Franek Haschke, Carsten Schlangen und Falko Zauber.

 

Eine weitere sportliche Erfahrung macht der Vorjahres-Vierte der Deutschen Meisterschaften über 800 Meter derzeit in der Schweiz. Seit Mitte Oktober studiert Höft, der den Dänen Wilson Kipketer als sein Vorbild bezeichnet, im Rahmen des Eramus-Austauschprogramms der Europäischen Union in Lausanne am Genfer See. Es ist nicht sein erster Aufenthalt im Ausland, vor zwei Jahren verbrachte der 26-Jahrige zwei Monate im kanadischen Calgary, wo er in einer Wohnmobilvermietung beschäftigt war. Obwohl das Medizinstudium fur ihn aktuell natürlich im Vordergrund steht, kommt auch die Leichtathletik nicht zu kurz. Der Berg-Liebhaber trainiert zur Zeit bei Lausanne-Sport Athlétisme bei Hans-Ruedi Herren, spricht jedoch seine Trainingsplane auch weiterhin noch mit seinem Berliner Heimtrainer Prof. Dr. Roland Wolff ab. “Das Training ist ziemlich cool”, freut sich Höft, “ich bin hier sehr offen aufgenommen worden.”

 

Beeindruckt zeigt sich der Mittelstreckler vor allem von der Lockerheit der Schweizer in organisatorischen Dingen. “Man hat mich nie gedrängt, ob ich in den Verein eintreten mochte”, sagt er und ergänzt: “Ich könnte allerdings auch noch ein Doppelstartrecht beantragen.” Eines ist für ihn allerdings klar, trotz Auslandsaufenthalts mochte und wird er auch weiterhin für die LG Nord an den Start gehen. Schon in der Hallensaison mochte er für die Berliner bei den Deutschen Meisterschaften laufen, setzt aber vor allem auf den Sommer, wo er Mitte Juli in Erfurt eine Medaille bei den Deutschen und “natürlich Bestzeit” laufen will. “Mal schauen, ob es klappt”, grinst er.

 

Sollten diese Wunsche sich nicht erfüllen, gibt es für Höft, der erst seit seinem 14. Lebensjahr Leichtathletik im Verein betreibt, noch einen weiteren Höhepunkt in seiner Saisonplanung. Der 800-Meter-Laufer, der nach seiner sportlichen Karriere ein Beschäftigung als Unfallchirurg anstrebt, hat die Fuhler nach dem Weltklassemeeting L’athlétissima ausgestreckt, welches 2006 hinter Rom das zweitbeste der Welt war und im kommenden Jahr am 10. Juli im Lausanner Stade de la Pontaise ausgetragen wird. Wahrend seines Studiums hat Höft einen Schweizer Läufer kennengelernt, der dort in diesem Jahr im B-Lauf angetreten ist. “Das sollte mein Ziel sein”, erklärt Höft und fugt hinzu, dass “die da immer noch schnell genug laufen.” 2006 lag die Siegerzeit des Kenianers Alfred Kirwa im B-Lauf bei 1:43,91 Minuten – gleichbedeutend mit der achtzehntschnellste Zeit des gesamten Jahres 2006.

 

Vielleicht erfüllen sich für den 26-Jahrigen nach Jahren voller Verletzungen südlich der Grenze endlich alle sportlichen Träume. Sogar bei den nationalen Meisterschaften darf er als in der Schweiz ansässiger Student teilnehmen – außer Konkurrenz. Und wenn auch der Meistertitel für gebürtige Eidgenossen reserviert ist, so wird niemand Höft das Glücksgefühl nehmen können, wenn er tatsachlich als Erster die Ziellinie überqueren sollte. Deswegen gleich seinen Lebensmittelpunkt nach Lausanne transferieren möchte er nicht. “Was ich hier nämlich am meisten vermisse, ist meine LG Nord-Trainingsgruppe”, gibt er lachend zu, “mit den ganzen Chaoten kann man einfach schneller rennen.”

 

(ein Artikel von Leichtathletik-Mitarbeiter Philip Haefner)